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Ostermarsch 2003 - Rede von Anna Beitinger
für das Nürnberger Friedensforum bei der Ostermarschabschlusskundgebung am 21. April 2003 in Nürnberg


Liebe Leute,

großartig, dass ihr wieder dabei seid. Wir waren in den letzten Wochen und Tagen ja wirklich oft unterwegs. Manche die bis jetzt meinten: Auf die Straße? Das ist nichts für mich machten mit. Der Zorn über "die Chronik eines gewollten Krieges" so ein Buchtitel wurde immer stärker. Der Zorn über die Lügen, das skrupellose Machtstreben, die Behandlung des Völkerrechts als letzten Dreck, die Verachtung des Gewaltverbots in der UNO Charta! UNO? Irrelevant! Und dann kam der Angriff.

Zeitungskommentare belehrten mich, dass es ein asymetrischer Krieg sei, eine Variante des Verbrechens, das Krieg sowieso ist. In einem asymetrischen Krieg hat eine Seite von vornherein keine Chance und im Fall Irak kam das Ende noch viel schneller als wir gedacht hatten. Die Anzahl der Opfer unter der Zivilbevölkerung ist trotzdem riesengroß und nimmt immer noch zu durch die schreckliche Hinterlassenschaft der Kämpfe.

Das den Kriegshandlungen folgende Chaos zeigt uns nun überdeutlich, wie ahnungslos die US-Administration war und ist über die innere Befindlichkeit der Menschen und Strukturen im Irak.

Es wird losgetrampelt unter der Überschrift: Demokratie einführen! Ein Blick auf die so ungemein überzeugenden demokratischen Verhältnisse in Afghanistan ist da für alle nützlich, die auf die Vorgabe des hehren Zieles "schnelle Demokratisierung" hereinfallen. Die Irakis demonstrieren allerdings mittlerweile ein tiefes Misstrauen gegen Demokratisierung von US Gnaden.

Was die Sieger jedenfalls sofort unter Schutz stellten waren Ölfelder und das Ölministerium. Das Nationalmuseum? Nicht wichtig. Es wurde aber peinlich als Medien über die zerstörten Kulturgüter berichteten.

Ich will jetzt auf etwas eingehen, was sicher viele von uns immer wieder zu hören kriegten in den letzten Wochen. Wisst ihr eigentlich nicht wer und wie Saddam Hussein war? Ähnlich lief es ja auch, als uns immer wieder die Schandtaten der Taliban vorerzählt wurden, wenn wir uns gegen den Krieg in Afghanistan wandten. Natürlich wissen wir über Saddam Hussein Bescheid und wenn Menschen jubeln, weil seine grausame Herrschaft zu Ende ist, dann ist die Freude wirklich berechtigt. Aber wir haben durch die Jahre verfolgen können, wie der Diktator gestützt und gehätschelt wurde. Die Menschenrechte waren denen, die Saddam Hussein Waffen lieferten, mit ihm gute Geschäfte machten und ihn als Puffer brauchten, völlig gleichgültig.

Ich habe etwas gegen faule Scheinheiligkeit und das Herauskramen von Entrüstung, wenn man den Ölvorräten näher treten und eine neue, genehme Ordnung installieren will. Darum: Saddam hin - Saddam her, der Krieg gegen den Irak ist und bleibt ein Angriffskrieg und damit ein Verbrechen, für das die Verantwortlichen vor den internationalen Gerichtshof gehören.

Wir müssen/wollen uns jetzt mit der Erfahrung beschäftigen, die wir gemeinsam gemacht haben.

War da nicht ein großer Frust nach all dem, was wir gegen den Krieg in Wort und Tat geleistet und eingesetzt haben - und der wurde doch begonnen und durchgezogen?
Aber! Es hat sich etwas ereignet, was Mut macht. Da war und ist eine Globalisierung ganz neuer Art, wie es sie noch nie gab. Und es ist ganz klar: Der so vehement artikulierte Widerstand der vielen Menschen an so vielen Orten, hat Regierungen beeinflusst. Es gelang den USA nicht, die Zustimmung des Weltsicherheitsrates zu erzwingen bzw. zu erkaufen. Das war für die USA eine große diplomatische Niederlage. Es besteht jetzt Einigkeit die Nachkriegsordnung nur unter dem Dach der Weltorganisation, also mit UNO Mandat anzugehen. Die UNO muss mithelfen, dass die Irakis ihr Selbstbestimmungsrecht möglichst schnell ausüben können und ihren Ölreichtum in Eigenregie zum Wohl ihres Landes verwalten.

Unser Protest, unsere Aufmerksamkeit, ist natürlich weiter gefordert, wenn sich abzeichnet, dass mit den wohl bekannten Argumenten: Schutz für Terroristen und Besitzer von Massenvernichtungswaffen, Syrien aufgerollt werden soll - und dann?

Es wird jetzt über die Methode Präventivkrieg hinaus von der US Regierung die Taktik des Preemptivschlages und Preemptivkrieges entwickelt. Das ist sozusagen der Krieg mit Vorkaufsrecht. Eine Bedrohung ist noch gar nicht da; aber dieser oder jener könnte vielleicht irgendwann einmal eine im Sinn haben - also nieder mit ihm.

Preemptivschlag! Eine neue Variante der Zukunft für das Verhältnis von Staaten zu einander? - Und wie wehrt sich ein Staat gegen diese schwebende Bedrohung? Mit Aufrüstung wehrt er sich - da beißt sich dann die Katz in den Schwanz.

Wir, die Friedensbewegung, sind ständig gefordert, solche verhängnisvolle Entwicklungen zu beschreien, ich gebrauche und kreiere mit Absicht dieses Wort.

Wir haben diese wichtige Aufgabe auch im Inland, in unserer BRD.

Wir freuten uns über das "Nein" der Regierung zum Irakkrieg. Dieses Nein hat seine Legitimierung mit verhindert. Aber wir fragen und bohren bei Parteien und Regierung weiter: Warum wurde es nicht deutlich umgesetzt?
Die Überflugrechte wurden nicht verweigert. Wurden die Spürpanzer etwa abgezogen? Wie war das mit den hilfreichen Schnellbooten im Mittelmeer? Es wurde auch nicht laut und deutlich gesagt: Dieser Krieg ist ein unrechtmäßiger Angriffskrieg!

Ja und überhaupt: Wir fordern, dass endlich mal grundsätzlich und kritisch reflektiert wird über die Rolle des Militärs, also der Bundeswehr in der Politik. Die von Minister Struck großmäulig propagierte Verteidigung der deutschen Sicherheit am Hindukusch meint im Grunde dasselbe wie der bekannte Abschnitt aus dem Naumann Papier, Märkte und Rohstoffe betreffend. Zunehmend wird auch ein Plan entwickelt, der US Regierung und Militärmacht ein Militärbündnis aus mehreren EU Staaten gegenüber zu stellen, um eigene Stärke zu demonstrieren.

Umbau der Bundeswehr in eine Interventionsarmee mit schneller Eingreiftruppe. Eine echte Versuchung für jede Regierung! Wie schnell ein Angriffskrieg gebilligt werden kann, zeigt das Beispiel Jugoslawien. Dabei verbietet das Grundgesetz eindeutig und ausdrücklich den Angriffskrieg. Wir lehnen entschieden alle Überlegungen ab, den Bundestag nicht mehr über Auslands- und Kriegseinsätze entscheiden zu lassen.
Über die Kosten des Umbaus und die Anhebung des Wehretats lassen wir uns nichts vormachen. Wir können und dürfen uns die wahnsinnig teure Rüstung und Umrüstung nicht mehr leisten. Das muss auch in den Streit um die Sozialreformen eingebracht werden.

Es wäre noch eine Menge zu sagen über Rüstungsproduktion, über Rüstungsimporte und Exporte und durch Waffenkäufe verschleuderte Gelder in Entwicklungsländern. Und über den Nährboden von Terrorismus, der sich aus Hilflosigkeit gegenüber Ausbeutung und Diskriminierung, aus Wut über die ungerechte Weltwirtschaftsordnung und asymetrische Kriege zusammensetzt. Gegen den sind völlig andere Maßnahmen erforderlich als schnelle Eingreiftruppen, die dazu beitragen die ungerechte Weltwirtschaftsordnung zu erhalten.

Ich komme zum Schluss: Die Friedensbewegung, wir alle, sagen allen Parteien und Regierungen. Schluss mit allen Überlegungen und Plänen, die miltärisches Eingreifen als Teil und Mittel von Politik beibehalten wollen, für denkbar halten.
In unserem Aufruf zum Ostermarsch fordern wir Umkehr. In unseren Hoffnungen und Vorstellungen für ein anderes und besseres Leben der Menschen auf dieser Erde haben Kriege keinen Platz. Sie dürfen nicht sein!


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